Historische Meilensteine


 

In der langen und im wahrsten Sinne des Wortes bewegten Geschichte dieses Gotteshauses hat es viele Veränderungen gegeben, nicht nur bauliche sondern auch örtliche, was sicher ziemlich einzigartig unter den Kirchen der Stadt Wien ist. Bis 1906/07 stand dieser Sakralbau nämlich an der Mariahilferstraße und erst seit 1907 befindet er sich an seinem heutigen Platz in der Windmühlgasse. Die Geschichte beginnt

1290 da findet die Laimgrube erstmals Erwähnung im ersten Dienstbuch des Bürgerspitals vor dem Kärntnertor. Der Name weist auf die vielen Lehmgruben hin, die sich am Abhang zur Wien befinden und wo Lehm für Ziegel abgebaut wird. Man unterscheidet zwischen der Oberen und Unteren Laimgrube. Die Obere ist zwischen Mariahilfer und Gumpendorfer Straße, die Untere am Wienfluss. Zwischen den Siedlungen dehnen sich Wein- und Obstgärten aus. (Der Mariahilfer Wein steht übrigens als beliebteste Wiener Weinsorte im Preis am höchsten.) Die Bewohner leben hauptsächlich vom Weinbau, der Ziegelherstellung und vom Fuhrwesen. An der Wien befinden sich eine Reihe von Mühlen (Schleifmühl-, Hofmühl-, Windmühlgasse!) und Ziegeleien. 

1343 findet sich die erste urkundliche Erwähnung einer Bürgerspitalskapelle zu Ehren der Heiligen Theobald und Katharina, gestiftet von Albrecht II., dem Vater Rudolfs IV. 

1349 gründet Albrechts Frau, Johanna von Pfirt, hier ein „adeliges Spital oder Seelenhaus“ für 12 adelige Damen.

1354 wird das Spital durch Rudolf IV., den Stifter, in eine Art Kloster für Frauen umgewandelt, die nach der Regel des III. Ordens des Hl. Franz von Assisi leben sollen, und erhält den Namen Kloster zu St. Klara (erste Jüngerin des Hl. Franz von Assisi und Gründerin der „Armen Schwestern“ = 2. Orden des Hl. Franziskus, Klarissen, *1194 +1253). Neben dem Hauptaltar zum Hl. Theobald befinden sich in der Kapelle noch zwei Altäre, die dem Hl. Jakobus und der Hl. Katharina geweiht sind.

1451 übersiedeln die Frauen in die Innere Stadt, in ein dem III. Orden gehörendes Haus in der Schenkenstraße. Das nun leerstehende Klostergebäude erbittet sich Johannes Capistran vom späteren Kaiser Friedrich III. für die Gründung des ersten österreichischen Franziskanerklosters. Am 22. Juli desselben Jahres weiht Johannes Capistran Kloster und Kapelle den Heiligen Theobald und Bernhard von Siena. Er führt auch den damals noch nicht üblichen zweiten Teil des Ave Maria ein: „... ora pro nobis peccatoribus nunc et in hora mortis nostrae“.

1529 ist die erste Türkenbelagerung und nicht nur Kirche und Kloster werden zerstört, nur wenige Gebäude der Vorstadt überstehen dieses Ereignis. Das Grundstück wird in der Folgezeit Besitz des Reichsherolds Hanns Francolin, der darauf Windmühlen errichten soll. Er errichtet statt dessen Mietshäuser und zahlt auch keine Steuern, weshalb er enteignet wird und der Grund über einige Zwischenbesitzer an die Stadt Wien gelangt.

1621 kauft der Ratsherr Ulrich Khertenkalch den Teil des Grundes, auf dem einst das Konventsgebäude der Franziskaner stand und errichtet hier zur Erinnerung an das einstige Kloster eine Kapelle zu Ehren des Hl. Theobald. Franziskaner-Patres zelebrieren darin an Feiertagen die Messe. Das Grundstück reicht von der Mariahilfer Straße bis zur Gumpendorfer Straße.

1661 erwerben Beschuhte Karmeliter (= Weiße Brüder) den „öden“ Grund von St. Theobald und die Kapelle und errichten wieder ein Kloster. Dieser Orden hatte schon 1365 auf dem Platz Am Hof Fuß gefaßt und bekam dort von Herzog Albrecht III. die Kapelle übertragen.

1683 während der zweiten Türkenbelagerung werden Kloster und Kapelle wieder zerstört.

1687 – 1697 wird das Kloster wieder aufgebaut. Da der spätere Kaiser Josef I. ein besonderer Freund und Förderer der Karmeliter ist, wird die dazu errichtete große Kirche dem Namenspatron des damaligen Erzherzogs geweiht.

 Stich von Salomon Kleiner, 1724
 Stich von Salomon Kleiner, 1724

1733 erhält die Kirche erst ihre barocken Türme mit den zwiebelförmigen Turmhelmen. Aus dieser Zeit stammt auch beinahe die gesamte barocke Inneneinrichtung.

1783 wird aus der Kirche St. Josef auf Anordnung Kaiser Josefs II. eine Pfarrkirche, ein Teil des Klosters wird zum Pfarrhof. Bis dahin hatte die Kirche zur Pfarre St. Michael gehört.

1797 wird die Karmeliter-Niederlassung aufgehoben; die Ordensmitglieder müssen sich wie Weltpriester kleiden. Kloster und Klostergarten befinden sich auf dem Grund, der heute von den Häusern Windmühlgasse 1-5, Theobaldgasse 15-19, Fillgradergasse 10-16 und Capistrangasse 2-4 eingenommen wird. Nach der Aufhebung des Ordens wird der ganze Komplex der Artillerie übergeben.                                                                                                

 Ausschnitt aus dem Vasquez-Plan, 1835
 Ausschnitt aus dem Vasquez-Plan, 1835

   1804 wird aus dem Klostergebäude eine Besserungsanstalt für  jugendliche Adelige.               

      1828 findet am 24. November die Hochzeit von Joseph Lanner (1801-1843) mit Franziska Jahus in der Laimgrubenkirche statt. Gemeinsam mit Johann Strauß Vater wird Lanner zum Begründer des Wiener Walzers. Wegen der Nähe zum Theater an der Wien (erbaut 1800-1801) ist dieser Vorort eine beliebte Wohngegend für Künstler.

        1856 erbittet Kardinal Josef Othmar von Rauscher, ein Schüler des Hl. Clemens Maria Hofbauer, das leerstehende Gebäude von Kaiser Franz Josef I., um darin ein Knabenseminar einzurichten.

    1881 wird das Knabenseminar nach Hollabrunn verlegt und die Gemeinde Wien wandelt das Klostergebäude in ein Polizeigefangenenhaus um. Die Kirche steht, wie schon erwähnt, zu diesem Zeitpunkt an der Mariahilfer Straße und ragt ein Stück in diese hinein. Mit der Argumentation, dass sie so ein Verkehrshindernis darstelle, erreicht Bürgermeister Karl Lueger die Verlegung der Kirche. Das Projekt, einen Durchgang unter der Orgelempore zu schaffen (so wie auch viel später bei der Stiftskirche), wird abgelehnt.

 

1905 kommt es am 2. Juni zu einer Vereinbarung zwischen der Gemeinde Wien und dem erzbischöflichen Ordinariat, wonach die Laimgrubenkirche als Stilkopie an einem weniger verkehrsbehindernden Platz neu gebaut werden soll.

1906 Grundsteinlegung für die Kirche am 5. Mai an ihrem heutigen Platz in Anwesenheit von Kaiser Franz Josef I.

Neubau der Laimgrubenkirche 1907
Neubau der Laimgrubenkirche 1907

                                                                     

1907 Übertragung der gesamten barocken Innenausstattung (bis auf 2 Altäre, die wegen einer etwas geänderten Grundriss-Situation geopfert werden müssen) aus der alten Kirche und feierliche Weihe des neuen Gotteshauses am 5. Oktober. Der plastische Schmuck der Fassade stammt auch vom Vorgängerbau. Bei den beiden Altären, die nicht aus der ursprünglichen Kirche übertragen werden,  handelt es sich um einen Marienaltar, dessen Altarblatt sich heute im Wiener Dom- und Diözesanmuseum befindet (Franz Anton Kraus, Maria vom Berge Karmel, 1751, Katalog Nr. 148) und einen Antoniusaltar, der heute nicht mehr auffindbar ist. Das ursprüngliche Hochaltarbild mit der Glorie des Hl. Josef von Johann Michael Rottmayr von 1724 befindet sich in der Kapelle des Zufluchtshauses in Breitenfurt. Das dazugehörige Bild aus dem Auszug des Hochaltares, Gottvater und den Heiligen Geist darstellend, befindet sich unter der Katalognummer 134 ebenfalls im Wiener Dom- und Diözesanmuseum.

1910 erscheint ein Zeitungsartikel, in dem die neu erbaute Kirche als „verpfuschter Bau“ bezeichnet wird. Die Kirche ist so feucht, dass Schimmel an den Wänden und auf den Altartüchern auftritt, ja sogar die Beleuchtung fällt aus, weil die elektrischen Leitungen von der Nässe befallen sind. Aus diesem Grunde bleiben im Winter auch die Kirchenbesucher aus Angst vor Erkältungen zu Hause. Wegen fehlender Schalldämmung des Glockenstuhles beschweren sich die Anrainer über das Glockengeläute. Schließlich beklagt der Autor dieses Zeitungsartikels, dass die Windmühlgasse viel zu schmal für die Auffahrt bei einer großen Hochzeit sei.

1999 bricht am 12. Juli ein Brand in der Kreuzkapelle hinter dem Chor aus, was eine komplette Reinigung der Kirche sowie Restaurierung der beschädigten Kult- und Einrichtungsgegenstände nach sich zieht.

2000 findet am 16. Jänner die offizielle Wieder-Inbesitznahme der Kirche durch die Pfarrgemeinde statt.

 

 

Mag. Margaret Gottfried