Das Mariahilfer Gnadenbild


Das Originalbild, eine Ikone, wurde 1514 bzw. 1537 von Lukas Cranach in Wittenberg geschaffen. Das Original wurde auf Holz gemalt und hat die Maße von78,5 x 47,1 cm.Lucas Cranach der Ältere war ein Freund Martin Luthers, und so berücksichtigte er Luthers Denkweise. Er schuf keine verfremdeten Heiligendarstellungen, sondern Menschen aus dem wirklichen Leben. Er zeigte Maria nicht als Himmelskönigin, sondern als eine Frau aus dem Volk, ohne Heiligenschein, ohne Sterne und Wolken.

Der Kurfürst Georg von Sachsen schenkte das Originalbild dem Fürstbischof Erzherzog von Passau, dem Bruder von Kaiser Ferdinand II.

Der Administrator des Bistums Passau, Domdekan Marquard von Schwendi (1574 – 1634) ließ 1622 für seine private Kapelle in Passau vom Maler Pius eine Kopie anfertigen. Diese private, zunächst hölzerne Kapelle, wurde später durch eine steinerne Kirche ersetzt. Die Kopie des Bildes verblieb in Passau.

Da Erzherzog Leopold 1625 Landesherr von Tirol wurde, gelangte das Original des Gnadenbildes durch ihn nach Innsbruck. Die Innsbrucker Bevölkerung wünschte sich das Bild für ihren Dom zu St. Jakob. Dieser Wunsch ging 1650 in Erfüllung, denn Erzherzog Leopold überließ dem Dom St. Jakob dieses Original mit der Auflage, es nie aus dem Dom zu entfernen. 

 

Eine Kopie dieses Mariahilfer Gnadenbildes aus Innsbruck St. Jakob, dessen Schöpfer unbekannt ist, gelangte schließlich in den Besitz Cölestin Joanellis, der als Urheber der Mariahilf Verehrung an dieser Gnadenstätte in Wien gilt. „Er war dem Barnabiten-Kolleg St. Michael zugeteilt und stellte das Bild in der von den Barnabiten 1660 vor den Toren von Wiens errichteten Friedhofskapelle „Maria im Schöff“ zur öffentlichen Verehrung aus“[1]

Bald danach setzten Wallfahrten zu dieser Kapelle ein. Bereits 1668/69 wurde die hölzerne Friedhofskapelle durch einen Bau aus Stein ersetzt.

1683 zog sich Kaiser Leopold I mit seinem ganzen Hofstaat auf der Flucht vor den Türken über Linz nach Passau zurück. Er flehte dort immer wieder vor dem Gnadenbild um den Sieg der christlichen Truppen. 

Nach der erfolgreichen Abwehr der Türken entstanden in Böhmen, Bayern und Österreich zahlreiche Mariahilf-Bruderschaften.

1683 während der Türkenbelagerung in Wien wurde die Kirche von Mariahilf zerstört. Es gelang jedoch dem Mesner Erhard Lampel, das Gnadenbild rechtzeitig hinter die Stadtmauer in der Kirche St. Michael in Sicherheit zu bringen. 

Nach dem Sieg über die Türken konnte am 14. August 1689 das Gnadenbild in feierlicher Prozession von der Pfarrkirche zu St. Michael in die neu erbaute Mariahilfer Kirche übertragen werden. „Der gesamte Clerus von Wien nahm an dem Zuge Theil, welchen der hochwürdigste Dompropst und Generalvikar Johann B. Mayer, geschmückt mit Infel und Stab, führte und seine Eminenz, der berühmte Bischof von Wiener Neustadt, Kardinal Kollonitsch, begleitete. Eine unabsehbare Menschenmenge bis zu dreißig und mehr Tausend hatte sich eingefunden, und Freudenrufe und Tränen der Rührung zeigten, wie tiefe Wurzeln die Andacht und das Vertrauen zur Mutter Gottes Mariahilf in dem Herzen des Volkes geschlagen hatten.“[2]In diesem Jahr wurde auch zum ersten Mal die Wallfahrt von St. Stephan nach Mariahilf durchgeführt. 

 

Im Andenken an den 300. Jahrestag dieser glücklichen Rückführung des Gnadenbildes wurde das Gnadenbild im Jahre 1989 wieder nach St. Michael gebracht und bei der Wallfahrt im Oktober von St. Stephan nach Mariahilf von St. Michael aus wieder in die Mariahilfer Kirche mitgetragen.

 

Es gibt noch verschieden Orte, wo wir eine Kopie dieses Bildes finden.

Allein in Deutschland gibt es rund 500 Stätten, an denen eine Kopie des Mariahilfer Gnadenbildes verehrt wird.

In Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg: Auleiten, Birkenberg, Gries, Hechenberg, Hollbruck, Inzing, Kleinholz, Kronburg, Locherboden, Maria Ebene, Maria Schmolln, Mondsee, St. Jakob i. Defreggen, Strengen, St. Thomas.

Steiermark und Kärnten: Mariahilf bei Oberdrauburg, Mariahilf ob Guttaring, Windisch Dobritsch, Johannesberg.

Wien, Niederösterreich und  Burgenland: Ernstbrunn, Mönichkirchen, Ollersdorf, Pottendorf, Schwadorf, Groissenbrunn (seitenverkehrt), in der Paulanerkirche (4. Wiener Gemeinde­bezirk), in einem Nebenraum der Schottenfelder Kirche (7. Wiener Gemeindebezirk).

Selbst in einigen Wohnungen kann man dieses Bild sehen, manchmal mit Kronen, manchmal ohne. 

Auf Grund einer mündlichen Überlieferung ist uns bekannt, dass die Kronen der Mutter Maria und des Jesuskindes nicht ständig auf dem Bild angebracht waren, sondern nur bei festlichen Anlässen darauf befestigt wurden. Aus der Nähe betrachtet sind rund um das Gesicht der Mutter Gottes kleine Löcher zu erkennen, woraus man schließen kann, dass in früheren Zeiten vielleicht dort ein Umhang oder ein Schleier befestigt war.

 

Zum Schluss noch einige Gedanken zur Interpretation des Bildes:

Wenn wir zu unserem Mariahilfer Gnadenbild aufblicken, so tun wir das meist mit dem Gedanken: Maria hilf uns, uns Armen, uns Bedrängten, hilf uns in unseren Sorgen und Nöten. Wir sind die Bittenden und Zuflucht Suchenden. Nach der Meinung von P. Wolfgang Worsch SDS scheint das aber nicht der ursprüngliche Grundgedanke des Bildes zu sein. Er meint vielmehr, dass in dem Bild der Hilferuf von dem göttlichen Kind an seine Mutter gerichtet wird. 

„Es besteht nämlich eine legendäre Erzählung, die besagt, dass das göttliche Kind in der Nacht, da der Engel Gottes den hl. Josef vor Herodes warnte, weil er dem Kinde nach dem Leben trachte, sich plötzlich erhob, an dem Hals seiner Mutter emporstrebte und ängstlich ausgerufen habe: Mutter hilf!“[3]

Nach Worsch liegt die Aussage des Gnadenbildes darin, dass das göttliche Kind, selbst als erster Mensch sich in seiner Angst und Not an die Mutter Maria wendet, damit diese ihm helfe und uns lehrt, bei Maria Hilfe zu suchen. Diesen Eindruck vermitteln auch die Darstellungen in Innsbruck und Passau. „Bei unserem Gnadenbild……. fällt der vornehme, edle Zug im Gesichtsausdruck der Mutter Gottes besonders auf. Es liegt eine frauliche Zartheit einerseits und eine majestätische Hoheit andererseits auf den Zügen und der Haltung Mariens. Zweifelsohne hat die Kaiserstadt Wien sich ihr eigenes Marienbild geprägt... Der würdevolle Ausdruck der Himmelskönigin wird durch die prächtige Krone noch unterstrichen, wobei die mütterliche Fürsorge für das Kind nicht im geringsten verliert.“[4]

Worsch deutet in der Darstellung die stark hervorgehobenen Augen, das zarte, feingliedrige Gesicht und die mächtigen Kronen als byzantinischen Einfluss, der auf unsere Mariahilfer Muttergottesdarstellung eingewirkt hat.

 

Ursula Hilkesberger



[1]Posch P: Waldemar SDS Der Urheber der Gnadenstätte Mariahilf. In: Festausgabe des Mariahilfer Pfarrboten zur 300-Jahrfeier des Gandenbildes , 1960 S.9f.

[2]Festschrift anlässlich des 200-jährigen Jubiläums Mariahilf zu Wien 1860.

[3]Worsch P. Wolfgang SDS, Das Gnadenbild. In Festausgabe des Mariahilfer Pfarrboten zur 300-Jahrfeier des Gandenbildes, 1960 S.6.

[4]Ibid.